Als das Objekt unserer Begierde endlich vor dem Redaktionsgebäude von auto, motor und mord stand, war klar: Das Warten hatte sich gelohnt. Das kantige Design, die eigenwillige Zweiteilung der Karosserie, der kompromißlose Verzicht auf Spoiler, Bürzel und Zierstreifen signalisieren, daß dieser ballernde Bolide keine lauen Luschen, sondern beherzte Bezwinger verlangt. Wer nicht bereit ist, dem Fahrzeug zu geben, was es fordert, der sei gleich gewarnt denn schon der Einstieg in das sportlich-spartanische Cockpit verlangt Verrenkungen, wie sie höchstens der Countach-Fahrer oder Isetta-Pilot kennt. Nein, Krauss-Maffei weiß, was Männer wünschen, die bereit sind, 5,6 Millionen Mark zu berappen, um den Leopard 2 ihr eigen zu nennen.
Erste Eindrücke: Im Stadtverkehr zeigt sich der Leo dem Stop-and-go-Rhythmus gewachsen Die butterweiche Automatik macht ihn zum König des Ampelslaloms Einbahnstraßen nimmt er in jeder Rich tung souverän, das Einparken ist dank Servolenkung und einem Eigengewicht von 55 Tonnen selbst dann kein Problem, wenn gerade mal wieder' ein popeliger Siebener-BMW die richtige Lücke blockiert. Zwar erhöht sich der Spritverbrauch in der City auf knapp 520 Liter/100 km, aber wer sich für den Leo entschieden hat kauft den Stoff ohnehin selbst auf dem Spotmarkt in Amsterdam ein. Vorsicht allerdings beim schnellen Schwenken des Turms in den Schluchten der Großstadt! Das Rohr räumt ab Oberkante Schaufenster alles ab, was sich in den Weg stellt.
Auf der Autobahn frommt der Leo je dem Sozi, denn viel schneller als 120 geht er nicht. Zwar ist der Ketten-Car trotz seiner 1500 PS nicht gerade ein Spurter, aber wenn er einmal auf Vmax gebracht ist, regiert er die Fahrspur getreu dem alten Motto ''dran, drauf, drüber!'' Bei hohen Drehzahlen wird es im Inneren gelegentlich ein wenig laut aber das stört nicht: Die Sicht nach draußen ist ohnehin begrenzt. Der Kofferraum (in der Ausführung für den öffentlichen Dienst für Granaten gedacht) erlaubt eine ausreichende Zuladung von Ärztemustern, zylindrischen Gepäckstücken oder kurzen Golfschlägern. Über die Vorzüge des Leos off-road zu schreiben, ist eigentlich obsolet. Welcher Suzuki kann vier Meter tief tauchen, welcher Range Rover einen 2,90 Meter breiten Graben schadlos überfahren, welcher Mercedes G hat für den Fall der Fälle eine Ausstiegsluke am Fahrzeugboden? Der Leo jedenfals ist für die Fahrt nach Südtirol der ideale Yuppie-Laster, auch wenn die Zöllner am Brenner bei unserem Test Ausflug aus unerfindlichen Gründen fluchtartig ihre Dienstgebäude verließen. Der kleine Nachteil, daß es den Leo ab Werk nur in Olivgrün oder camouflage gescheckt zu kaufen gibt, wird dadurch wettgemacht daß sich kaum ein Fahrzeug so harmonisch in die Landschaft einpaßt.
Dank dem Mut der Allacher Panzerschmiede, mit dem Leo endlich auch gegen Golf syncro und Mercedes 4matic anzutreten, eröffnen sich dem Liebhaber der gehobenen Fortbewegung ganz neue Dimensionen.

(Im nächsten Heft: Vergleichstest zwischen Leopard 2, Ferrari F40 und BMW Z1.)



Stephan Löscher, 22 Nov 1998